Sie gelten als das älteste Volk der Welt, kennen weder Besitz noch Neid oder Krieg. Sie leben in Namibia im Einklang mit der Natur – sie finden und nehmen, was sie brauchen. Und lassen das, was sein darf. Die „Buschmänner“ oder auch „San“ zeigen uns den Ursprung der Menschheit. Wir durften zwei Tage im Fiume Bushcamp mit ihnen verbringen.
Die Strecke zum Bushcamp ist schon sehr abenteuerlich. Aus Grootfontain noch einmal ca. 40 km Schotterpiste. Eigentlich kann man das Camp nur mit einem Auto mit Vierradantrieb erreichen. Wir sind im SUV unterwegs, aber nicht lange. Auf den letzten fünf Kilometer ist der Sand zu tief, der Wagen bleibt stecken. Handyempfang gleich null, die Temperatur steigt auf 32°C. Und nun? Ich also ans Steuer und Björn schiebt das Auto rückwärts. Zweiter Versuch: Ordentlich Gas geben, bloß nicht bremsen und kosmische Unterstützung. Emmy hat zum Lieben Gott gebetet, Eva die Daumen gedrückt und Jasper… ähm, weiß ich nicht mehr. Hat aber geklappt!
Alles ganz einfach – und trotzdem Luxus
Feiner Sand, trockener Busch, warmes Licht. Zelte, die mit großem Abstand im Kreis stehen. Und in der Mitte ein Pavillon, eine lange Tafel unter freiem Himmel und eine gemütliche Feuerstelle. Dazu Vogelgezwitscher. Ganz ruhiges Ankommen, Durchatmen, Wohlfühlen.
Unheimlich nett begrüßt uns Morris, selbst Buschmann und Hotelmanager. Er erklärt uns das Camp: Alles wird komplett über Solarstrom betrieben, Wasser zum Duschen wird morgens und spätnachmittags mit einem Feuer erwärmt. Auch wenn das Schild keinen Luxus verspricht, wir fanden es herrlich im Fiume Bushcamp! Die Zelte waren groß und stabil mit gemauertem Badezimmer, stilvoller Einrichtung und einen kleinen Pool zum Plantschen für die Kinder. Dazu Hängematten, Liegestühle, eine gut gefüllte Bar und Essen unterm Sternenhimmel … sehr romantisch und bequem.
Im Busch ankommen und alles loslassen
Den ersten (halben) Tag verbrachten wir in aller Ruhe im Camp. Wortwörtlich. Es gibt an diesem Fleckchen Erde keinen Handyempfang, keine Fernseher, keine Straße. Statt dessen zwitschernde Vögel, zirpende Zikaden, Blätterrascheln. Und ab und zu ein erschrockenes Quicken, denn zum Fiume Bushcamp gehört auch Crash, diese kleine, zahme, blitzschnelle, freche Manguste. Ähnlich einem Frettchen wuselt er herum, knabbert mal am Zeh oder stibitzt Socken. Er kann aber auch auf den Arm klettern und sich einkuscheln. Zum Klauen!
Dreamteam aus Küstenjung und Bushman
Jörn, der Besitzer von Fiume, begrüßt uns beim Abendessen. Auf seiner Farm wohnen mehrere Bushman-Familien, er ist mit ihnen aufgewachsen und spricht neben englisch, deutsch und afrikaans auch ihre seltsame Sprache mit den Klick- und Schnalzlauten. Jörns Familie stammt ursprünglich übrigens aus Lübeck – ein echter Holsteiner Jung also.
Neben Morris und seiner Frau Erna arbeiten weitere Bushman-Frauen hier als Köchinnen und Zimmer- bzw. Zeltmädchen. Es gibt auch einen Kindergarten/Grundschule für die Bushman-Kinder, der von Praktikanten aus dem Ausland gegen Kost und Logis geführt wird. Es lohnt sich, mal in den Kindergarten-Blog hinein zu schauen. Oder vielleicht habt Ihr Lust auf eine längere Zeit im Busch und eine unvergessliche Erfahrung?
Gute Nacht, lekker slaap, good night, !Gâi !oes.
Den Abend haben wir alle zusammen am Lagerfeuer mit knisternden, wärmenden Flammen und tollen Geschichten verbracht, bevor wir uns in unsere Zelte gekuschelt haben. Früh am nächsten Morgen sollten wir dann endlich die Bushman-Familien und ihr Leben kennen lernen. In dieser Nacht lag ich vor dem Einschlafen noch lange wach und habe gelauscht… Ein richtiges Buschkonzert mit Rascheln, fremden Fiepsen, seltsamen Rufen und heiseren Schakaltönen.
„Früher war die Sonne ein Mensch. Sie war ein Mann, ein Buschmann. Seine Achselhöhle war das Licht, und wenn er seinen Arm hob, wurde es hell und warm auf der Erde. Nahm er ihn herunter, wurde es Nacht und kalt.“
Endlich, endlich, endlich. Nach dem Frühstück um 7 Uhr bringt Morris uns ins Bushmen-Dorf. Rassmus wird unser Dolmetscher sein und die Klick- und Schnalzlaute seiner Familienmitglieder für uns auf englisch wieder geben. Wir werden im Dorf herzlich begrüßt und aufgefordert, Fragen zu stellen und Fotos zu machen. Trotzdem sind wir alle sehr schüchtern. Die Hütten aus Stroh, die großen Tierknochen, die darin liegen, die Nacktheit der Menschen – es fühlt sich alles sehr fremd an. Wir kommen uns vor, als wenn wir hier so gar nicht hin gehören (was ja auch stimmt). Ich mag so gar nicht meine Kamera auf die Menschen richten, die nackt am Boden sitzen, ihre Kinder stillen oder sich unterhalten.
Doch Rassmus ist sehr aufgeschlossen und gastfreundlich. Er stellt uns Dan vor, einen kargen, runzeligen Bushman, der uns das Leben im Busch erklären wird. Dan lächelt mit wenigen Zähnen und hat selbst keinerlei Scheu vor uns. Allmählich gewöhnen auch wir uns ein und erkunden neugierig das kleine Dorf und seine Bewohner. Die Bushmen sind klein, etwa 1,40 bis 1,60 Meter groß. Sie haben sehr freundliche, feine Gesichtszüge. Ihre meist hageren, athletischen Körper sind so gut wie unbehaart und ihre Hautfarbe ist eher braun als schwarz. Männer und Frauen tragen lediglich Hosen aus Leder oder Fell, die Mütter binden sich dazu große Lederstücke über den Rücken, in dem sie ihre Babys tragen.
Jagen, sammeln, teilen
Dann gehen wir mit Rassmus und Dan los. Sie zeigen uns ihr Jahrtausende altes Wissen über das Leben im Busch. Jagen, Sammeln, wo es Medizin gibt, wie man Werkzeug, Waffen und Fallen baut, Feuer macht und wo man in der Dürrezeit Wasser findet. Um große Tiere wie einen Kudubock oder eine Giraffe zu töten, reichen die hölzernen Pfeile nicht aus. Der Trick der Bushmen: Aus Wurzeln einer Pflanze gewinnen sie hochpotentes Gift, in das die Pfeilspitzen getunkt werden. Das Tier wird verwundet, das Gift gerät in den Blutkreislauf und nach einigen Stunden stirbt die Beute. So lange verfolgen die Bushmen das Tier. Das kann sich manchmal einen ganzen Tag lang hinziehen. Die Beute wird immer im Dorf geteilt. Was einer erlegt, gehört allen.
Wir sind erstaunt, wie viel Essbares man im so trocken scheinenden Busch finden kann. Beeren, Früchte, Blätter, Wurzeln … Und das medizinische Wissen ist unglaublich. Nicht nur gegen Durchfall und Kopfweh wächst hier Medizin. Auch Beeren gegen Unfruchtbarkeit oder Kräuter gegen böse Geister kennen die Medizinmänner des Dorfes.
Bei der so lebenswichtigen Wassersuche zeigt sich wieder die friedliche, soziale Struktur der Bushmen: Findet jemand in einer Baumaushöhlung Wasser, schlägt er eine Kerb in den Stamm. So weiß jeder Nachfolgende, dass es hier etwas zu Trinken gibt. Deshalb gehört in jeden Bushman-Köcher übrigens auch ein hölzerner Strohhalm.
Perlhuhn zum Abendessen?
Dan stellt eine traditionelle Vogelfalle auf und zeigt uns, wie man mit Stöcken und einer Schnur eine Katapult-Falle baut und so für sein Abendessen sorgt. Mittlerweile verstehen wir Dans Gesten so gut, dass eine Übersetzung fast überflüssig ist. Jetzt dürfen die Kinder es auch mal probieren – Jasper und Emmy sind zuerst schüchtern, trauen sich aber doch. Und Eva? Die wollte auf ihr Vormittags-Schläfchen nicht verzichten.
Dorfleben mit den Bushmen
Den Nachmittag verbringen wir im Dorf mit basteln und spielen. Ja, genau. Jasper lernt, wie er sich einen eigenen Bogen herstellt und wir Mädchen machen Schmuck aus „Bushman-Geld“. Das sind kleine Scherben von Straußeneierschale, die auf einem Stein in Form geklopft werden und mit einem Drill Löcher verpasst bekommen. Aufgefädelt ergibt das Halsketten oder Armbänder. Sehr aufwendig, sehr fummelig, aber Eva genießt es total. Wie im Trance sitzt sie eine halbe Stunde ganz still und fädelt die kleinen weißen Scheiben auf. Währenddessen quatsche ich mit den anderen Frauen – Hände und Lächeln reichen uns zum Verständigen. Lisa zum Beispiel hat vier Kinder, ihre Schwester sogar zwölf. „Die hat wohl viele von den Beeren genascht“, meint Emmy dazu.
Spielen, hüpfen, singen und tanzen mit den San
Dann probiert Jasper seinen neuen Bogen gleich aus, Dan zeigt ihm dazu, wie er sich richtig anschleicht. Eva hat sich so gut eingelebt, dass es sie gar nicht stört, als wir zum Bogenschießen gehen. Sie bleibt einfach im Dorf, vertraut den Frauen und Kindern um sie herum total.
Später tanzen wir mit den Bushman-Frauen einen Willkommenstanz, dann lädt uns das ganze Dorf zum Seilspringen ein. Zuerst zeigen sie, wie sie rhythmisch über das selbstgeflochtene Seil aus Baumrinden springen. Björn möchte eigentlich gern Fotos machen, aber bei den ganzen nackten, hüpfenden Busen kommt er sich doch komisch vor 🙂
Eva ist derweil mit ihren neuen Freunden zum Spielen in den Busch gegangen und ich hoffe, dass das Kindergejauchze alle Schlangen und Skorpione zuverlässig verscheucht.
Feierabend im Busch
Abends gibt es noch ein großes Lagerfeuer und das Dorf zeigt uns einen traditionellen Tanz gegen Krankheiten. Dann gehen wir voller Eindrücke zurück ins Camp zum Abendessen und einer weiteren gemütlichen Runde ums Feuer. Jörn erzählt uns noch viel über die Bushmen, ihr Leben, ihre Perspektiven.
Die Bushmen gehen jetzt auch zurück in ihre Wohnzelte. Sie tauschen Lederschurz gegen Shorts und T-Shirts, schalten ihre Handys wieder ein, schauen noch ein bisschen TV. Denn auch für sie ist das traditionelle Leben Vergangenheit. Von ihrem ursprünglichen Land wurden sie vertrieben, das Jagen gilt heute vor Gesetz als Wilderei und wird mit Gefängnis bestraft. Sie müssen sich an unsere Zivilisation anpassen, lernen, arbeiten, feste Wohnsitze einnehmen. Das traditionelle Bushmanleben ist längst vorbei, das uralte Wissen bleibt nur bestehen, weil es solche „lebendigen Museen“ wie das Fiume Bushcamp gibt.
Wenn ihr euch die Klick-und Schnalzsprache der Bushmen einmal anhören möchtet, habe ich euch ein Video verlinkt. Es zeigt Dan, wie er uns erklärt, welche Medizin gegen Husten hilft.
Wow was für ein spannender Artikel! Das kommt jetzt auf meine gedankliche Bucket List! Danke für die Eindrücke!
Hi Claudia,
das freut mich wirklich! Und jaaaaaa – unbedingt hinfahren! Es war für uns eine absolut wunder- und wertvolle Erfahrung.
Ganz liebe Grüße!
Ach du meine Güte, jetzt hast du mich aber wirklich angefixt. Ich fürchte wir müssen nächstes Jahr nach Namibia.